Pressemitteilung: Henrike Hahn, MdEP (Bündnis 90/ Die Grünen) zum Net-Zero-Industrie-Act: Mehr Europäische Industriepolitik durch den NZIA

Heute, am 22.02.2024, wurde im Industrieausschuss des Euopäischen Parlamentes über das Gesetz zur Netto-Null-Industrie (Net Zero Industry Act) abgestimmt. Henrike Hahn, MdEP, Mitglied des Industrieausschusses und industriepolitische Sprecherin der Europagruppe, kommentiert:

“Der Net-Zero Industry Act soll die Kapazität zur Herstellung grüner Technologien in Europa erhöhen und zur industriellen Resilienz der EU beitragen.

Das Gesetz zur Netto-Null-Industrie ist ein Legislativvorschlag auf Unionsebene, der sich in einem Rundumschlag konkreter europäischer Industriepolitik widmet. Der NZIA ist ein klares Bekenntnis zur Netto-Null-Wirtschaft bis 2050 und zur Dringlichkeit einer massiven Schaffung grüner, hochwertiger Arbeitsplätze in Europa. Das ist auch überfällig, denn China und die USA schlafen nicht.

Durch die Beschleunigung von Zulassungsverfahren mit festen Zeitlimits erhalten Europas Unternehmen mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit für ihre Investitionen. Durch "Net-Zero Academies" werden Ausbildung und lebenslanges Lernen gefördert - Europa braucht gut ausgebildete Fachkräfte, um auch zukünftig Spitzenprodukte für den globalen Markt produzieren zu können.

Im NZIA findet sich viel positives, aber auch problematisches. Die verpflichtende Berücksichtigung von Nachhaltigkeits- und von Resilienzkriterien in der öffentlichen Auftragsvergabe in Sektoren, in denen die EU hochgradig abhängig von einzelnen Drittstaaten ist, ist eine außerordentlich gute Sache. So macht Europa sich unabhängiger auf seinem Weg in eine emissionsfreie Zukunft.

Leider verpasst das letztliche Trilogergebnis die Chance, einen stärkeren Fokus auf genau die nachhaltigen Schlüsselindustrien zu legen, die Europa für seine Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit braucht.

EU-Mitgliedstaaten, die das wollen, können unter anderem nukleare Technologie fördern, und auch bei Carbon Capture und Storage (CCS) geht der Entwurf sehr weit. Selbst technologisch nicht ausgereifte Anwendungen können durch den NZIA unterstützt werden, das ist weiter zu diskutieren. Mit dem finalen Verhandlungsergebnis ist es jetzt sehr viel einfacher als im Kommissionsvorschlag, den Status eines strategischen Projektes zu erlangen, was den grünen Fokus des NZIA weiter verwässert. Für uns Grüne ist allerdings glasklar: Wir brauchen einen starken, unmissverständlichen Fokus auf Emissionsreduktion und erneuerbare Energien.

Anlass zur Sorge gibt, dass im Rahmen von "Net-Zero Industry Valleys" auch nicht-strategische Projekte und Projekte in Schutzgebieten von vorrangigem öffentlichen Interesse sein können. Naturschutz darf durch eine wettbewerbsfähig Industriepolitik nicht komplett ausgehebelt, sondern muss immer adäquat berücksichtigt werden."

 

Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

 

Hintergrund:

Das Gesetz zur Netto-Null-Industrie ist der erste dediziert industriepolitische Legislativvorschlag auf Unionsebene. Er soll soll die Kapazität zur Herstellung grüner Technologien in Europa erhöhen und zur industriellen Resilienz der EU beitragen.

Indikatives Ziel ist:

  • 40% der für die EU-Klimaziele in 2030 benötigten Technologien in Europa zu produzieren
  • 15% der weltweiten Wertschöpfung bis 2040 für diese Technologien in Europa anzusiedeln (außer, wo dies den Eigenbedarf der Union deutlich übertrifft)

Der NZIA ist Audruck der Absicht der Union, industriepolitisch geschlossen zu handeln und den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft bis 2050 als Kompass für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und die massive Schaffung grüner Arbeitsplätze in der gesamten Union zu nutzen.

Anwendungsbereich

  • Die Liste der betroffenen Technologien wurde deutlich ausgeweitet, unter Anderem können nun auch Nukleartechnologie sowie CCS und CO2-Transport strategische Projekte sein - allerdings können Mitgliedstaaten hier national Ausnahmen vorsehen, so dass z.B. Deutschland keine Kernenergie unterstützen muss;
  • Durch die Streichung des Verweises auf die Technologiebereitschaftsstufe 8 in der Definition von Netto-Null-Technologien fallen nun auch Technologien neu in den Anwendungsbereich des NZIA, die noch nicht vollständig marktreif sind.
  • Zusätzlich zur Liste der Technologien wurde der Anwendungsbereich auf Dekarbonisierungsprojekte für energieintensive Industrien (Stahl, Aluminium, Nichteisenmetalle, Zement, Papier, Keramik, Glas, Kalk, Chemikalien) ausgeweitet

Beschleunigung von Zulassungsverfahren

  • Für Zulassungsverfahren für strategische Projekte gelten nun feste Zeitlimits. Fast alle Bestimmungen wurden an das kürzlich verabschiedete Gesetz für kritische Rohstoffe (CRMA) angepasst, so dass der endgültige Text den Projektträgern Sicherheit und Vorhersehbarkeit bietet, ohne die Qualität der Umweltverträglichkeitsprüfung im Verlauf des Verfahrens zu beeinträchtigen

Kriterien für die öffentliche Auftragsvergabe

  • Bei der öffentlichen Auftragsvergabe für Netto-Null-Technologien müssen obligatorische Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit erfüllt sein – dies stellt einen grünen Verhandlungserfolg dar.
  • Auftraggeber müssen zudem sicherstellen, dass nicht mehr als 50 % des Wertes Strategischer Technologien für ihre Aufträge aus einem einzigen Drittland stammen, falls die EU-Lieferungen der betreffenden Technologie oder Komponente zu mehr als 50 % aus einem einzigen Drittland stammen oder wenn sich die Verfügbarkeit in der EU in den letzten zwei aufeinanderfolgenden Jahren verschlechtert hat (außer wenn der Kostenunterschied zwischen einem Angebot, das diese Bestimmung einhält, und einem Angebot, das sie nicht einhält, mehr als 20 % beträgt).

Netto-Null-Akademien

  • Die Einfühgrung von "Netto-Null-Akademien" für die Aus- und Weiterbildung ein positives Ergebnis der Verhandlungen, auch wenn deren Finanzierung noch unklar ist

Selektion strategischer Projekte

  • Die ursprünglichen Auswahlkriterien für strategische Projekte wurden abgeschwächt, vor allem durch den Wechsel von kumulativen auf nicht kumulative Kriterien in Bezug auf Umweltbelange und Wettbewerbsfähigkeit

Übergeordnetes öffentliches Interesse für strategische Projekte

  • Das übergeordnete öffentlichen Interesse für strategische Projekte wurde beibehalten, zudem wird das Konzepts der "Net-Zero Industry Valleys" eingeführt, in denen jedes  Projekt als von übergeordnetem Interesse eingestuft werden kann, inklusive Projekten in Schutzgebieten,

CCS-Injektionskapazitätsziel

  • Das von der Kommission vorgeschlagene Ziel einer EU-weiten CO2-Injektionskapazität von 50 MtCO2/Jahr bis 2030 wurde in der endgültigen Einigung beibehalten, ohne Beschränkung auf "unvermeidbare" oder "schwer zu vermeidende" CO2-Industrieemissionen

Beratungsgruppe zu regulatorischer Belastung

  • Eine "wissenschaftliche Beratungsgruppe für die Netto-Null-Regulierungsbelastung" wird etabliert, um die bürokratische Belastung durch Umwelt- und Klimaregulierung besser zu erfassen
     

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